Für Senioren: ÖPNV statt Führerschein?

Beitrag von Burkhard Müller, Lingener Tagespost vom 13.08.2009 Lingen - Sollte den über 80-jährigen Seniorinnen und Senioren in der Stadt Lingen die Möglichkeit eröffnet werden, ein Jahr kostenlos das städtische Nahverkehrsangebot nutzen zu können, wenn sie freiwillig ihren Führerschein abgeben? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Sitzung des Verkehrsausschusses der Stadt Lingen

SPD Ratsherr Peter Supritz, Mitglied im Verkehrsausschuss

Aufgeworfen wurde das Thema durch einen Antrag der SPD, der in Auszügen wie folgt lautete: „Die Stadtverwaltung wird beauftragt, gemeinsam mit der VGE-Süd ein Konzept zu entwickeln, nach dem Seniorinnen und Senioren (ab 80 Jahren), die die freiwillige Entscheidung über die Rückgabe des Führerscheins treffen, als Anreiz dafür eine einjährige kostenlose Nutzung des städtischen Nahverkehrsangebotes (einschließlich ASt) in Anspruch nehmen dürfen.“
Begründet wurde dieser Beschlussvorschlag durch SPD-Ratsherr Peter Supritz, der zuerst betonte, dass dieser Vorschlag nichts mit einer überproportionalen Beteiligung älterer Mitbürger an Unfällen zu tun habe. Supritz: „Im Gegenteil: Gerade ältere Autofahrer können auf eine langjährige Fahrpraxis zurückgreifen.“

Dennoch machten sich immer mehr Senioren Gedanken wegen des stetig wachsenden Straßenverkehrs, der meist im Alter nachlassenden Hör- und Sehkraft sowie des etwas langsamer werdenden Reaktionsvermögens. „Es gibt kein Muss und auch keinen Zwang. Aber wenn sich Senioren für diesen sicherlich nicht leichten Schritt der Führerscheinabgabe entscheiden, dann sollten wir das mit einer einjährigen kostenlosen Nutzung des städtischen ÖPNV honorieren“, erläuterte der Sozialdemokrat. Abschließend verwies Supritz auf den Landkreis Konstanz, der mit dieser Aktion gute Erfahrungen gemacht habe.

Während Michael Fuest, Bündnis 90/Die Grünen, den Antrag der SPD unterstützte und meinte, dass alte Menschen über dieses Angebot nachdenken könnten und man diesen Vorschlag doch für ein Jahr ausprobieren sollte, um dann letztendlich darüber zu entscheiden, fiel der Antrag bei den meisten Christdemokraten in Ungnade.

So meinte Bernd Teschke, dass das der „falsche Weg“ sei, weil nur ältere Menschen in dieses Angebot einbezogen würden. Er plädierte dafür, zum Beispiel auch Gehbehinderte mit in dieses Angebot einzubeziehen. Stefan Heskamp forderte, dass die VGE-Süd zunächst mit der Stadt sprechen müsste, um die dafür anfallenden Kosten zu schätzen und zu überprüfen. Auch Reinhold Diekamp meinte, dass die Stadt in dieser Sache keine Vorreiterrolle einnehmen, sondern in Absprache mit dem Landkreis Emsland handeln sollte. Einzig und allein votierte Christdemokratin Irene Vehring für den Vorschlag der SPD: „Das ist eine gute Idee, die nur positiv zu bewerten ist. Außerdem handelt es sich dabei ja nur um die Ausarbeitung eines Konzeptes.“

Auch Franz Kleene, beratendes Mitglied, machte deutlich, dass es sich hier nicht um ein verpflichtendes, sondern um ein völlig freiwilliges Angebot handele. Kleene: „Das kann man nur positiv bewerten.“

Der Antrag wurde wegen weiteren Beratungsbedarfs in die Fraktionen gegeben.

Auf Anfrage unserer Zeitung beim Landkreis Konstanz erklärte Pressesprecher Daniel Mühlich, dass der Landkreis in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsbund mit dieser Aktion, die bereits seit dem Jahr 2005 laufe, gute Erfahrungen gemacht habe. „Das ist für unsere Senioren ein prima und völlig freiwilliges Angebot. Seit 2005 haben bereits über 1200 ältere Bürger über 70 Jahre ihren Führerschein zurückgegeben.“

Belohnt würde diese Entscheidung mit einem für ein Jahr kostenlosen Bus-und-Bahn-Ticket für den ganzen Landkreis im Wert von 770 Euro.

Eine umfassende Aufklärung in Sachen Bauverzögerung Zentraler Omnibusbahnhof (ZOB) in Lingen forderten vehement Heinz Willigmann, SPD, und Fuest. „Ich weise eindringlich darauf hin, dass alle Ratsmitglieder ein Recht darauf haben, umfassend informiert zu werden,“ sagte Fuest.