Das Streben nach einer gerechten Gesellschaft zählt zu den Grundfesten der Sozialdemokratie. Politik sei ein immerwährender Prozess – und auch die SPD werde immer unterwegs sein, hob Steinbrück hervor und setzte das Ziel: „Wir müssen die Avantgarde sein.“
Über das, was der SPD in den vergangenen zehn Jahren gelungen sei, dürfe man mit Selbstbewusstsein reden, sagte Steinbrück und fügte mit Blick auf die aktuelle Finanzkrise und die Macht der Finanzmärkte selbstkritisch hinzu, dass „wir uns dem Paradigma der Selbstregulierung zu lange und zu widerstandslos ergeben haben.“ Man habe die Deutungshoheit anderen überlassen – und das müsse sich ändern. Im beschlossenen Wirtschafts- und Finanzkonzept (mehr Infos zum Beschluss am Ende des Artikels) kommt aus diesem Grund der Regulierung der Finanzmärkte eine zentrale Rolle zu. Nicht Finanzjongleure, sondern das Volk und seine gewählten Vertreter sollen in Zukunft wieder bestimmen können. „Das Volk ist der Souverän.“
Freiheit entsteht nur dort, wo keine Egomanie, sondern Gemeinsinn und Gemeinwohl herrscht. „Diese Gemeinwohlorientierung muss sich die SPD auf die Fahne schreiben und einer Marktorthodoxie entgegensetzen“, forderte Steinbrück. Die Freiheit für die Märkte dürfe kein asoziales Verhalten rechtfertigen, mahnte er, „das zersetzt unsere Gesellschaft.“
Ein Zerfall der Europäischen Union hätte neue nationale Egoismen zur Folge, fürchtet Steinbrück. Die europäische Integration sei eine Antwort auf 1945 gewesen, sei aber auch eine Antwort auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts. „Wir müssen eine neue Erzählung entwerfen, die auch die jüngere Generation packt und unsere Bürger überzeugt, dass Solidarleistungen für Europa richtig sind“, so Steinbrück.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wirft er vor, Ressentiments mit Begriffen wie „Haftungsgemeinschaft“ zu schüren. Sie sehe Europa sehr „physikalisch“. Doch Europa sei viel mehr: „Europa ist Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Pressefreiheit – Europa ist der Motor der Aufklärung.“
In seiner Rede ärgerte sich Steinbrück über „den schamlosen Betrug der CDU mit der Einführung einer Lohnuntergrenze, über das Taktieren bei der Einführung einer Steuer auf Finanzgeschäfte und über die fatale Fernhalteprämie.“ Nicht zuletzt kritisierte er „den fiskalischen Schwachsinn“ der angekündigten Steuersenkungen. „Das ist nicht viel besser als ein Pausenbrot für die FDP.“
Empörung allein verändert nichts. „Wir müssen mit unseren Konzepten unsere Regierungsfähigkeit belegen und unseren Regierungswillen dokumentieren“, forderte er und ergänzte, dass die Beschlüsse auch „gegen Kritik und Einwände bestehen können müssen.“ Besonders die Forderung nach einer sogenannten Reichensteuer wurde in der Debatte zum Leitantrag kontrovers diskutiert.
Als einen zentralen Punkt des Wirtschafts- und Finanzkonzepts der SPD hob Steinbrück den Schuldenabbau hervor. „Staatsverschuldung ist Umverteilung und erhöht die Abhängigkeit von den Märkten“, kritisierte er. Außerdem kommt der Forderung eines gesetzlichen Mindestlohns große Bedeutung zu. „Wer sein Geschäftsmodell auf Niedrigstlöhnen aufbaut, der hat kein Geschäftsmodell“, so Steinbrück. Auch wenn der ehemalige Bundesminister nicht grundsätzlich gegen Leiharbeit ist, so warnte er davor, dass mit der Leiharbeit, so wie sie zurzeit gehandhabt werde, eine Spaltung des Arbeitsmarktes betrieben werde. „Für den sozialen Frieden ist zudem ein gleicher Lohn für gleiche Arbeit notwendig“, ergänzte Steinbrück. Eingeschlossen die Lohndifferenzen zwischen Männer und Frauen.
Allein auf nationaler Ebene für Demokratie und Gerechtigkeit zu kämpfen, reiche nicht mehr aus, betonte Steinbrück. „Wir müssen eine internationale reichweite erleben und die Fortentwicklung europäischer Institutionen ist umso wichtiger.“ Dafür müssten die europäischen Sozialdemokratischen Parteien mehr „gemeinsames Gewicht auf die Platte bringen“.
„Wir werden über Steine gehen müssen“, stimmte Steinbrück die Genossinnen und Genossen auf einen kämpferischen Weg Richtung Regierungswechsel ein, aber man werde nicht stehen bleiben. „Das Entscheidende ist: Wir gehen zusammen.“
Kurz zusammengefasst: Beschluss „Fortschritt und Gerechtigkeit: Wirtschaftlicher Erfolg, solide Finanzen und sozialer Zusammenhalt“
Die zentralen Ziele des Wirtschafts- und Finanzkonzeptes: Schulden abbauen, Steuern gerecht gestalten und in Bildung und Kommunen investieren. Steuermehreinnahmen sollen dafür verwendet werden, die Neuverschuldung zu senken. Es sollen keine Steuersenkungsversprechen gemacht werden, für die neue Schulden aufgenommen werden müssten. Zudem sollen unnötige und ökologisch nachteilige Subventionen abgebaut werden. Sparvolumen insgesamt: rund 15 Milliarden Euro.
Das Steuerkonzept sieht eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Bezieher höherer Einkommen (ab einem jährlichen Einkommen von 100.000 Euro) auf 49 Prozent vor. Es soll zudem eine Vermögensbesteuerung geben. Bei der Reform der Abgeltungssteuer haben sich die Delegierten auf einen Kompromiss geeinigt: Der Steuersatz auf Kapitalerträge soll zunächst von 25 auf 32 Prozent erhöht werden. Sollten dabei nicht die gewünschten Mehreinnahmen erzielen lassen, will die SPD innerhalb von drei Jahren zu der alten Regelung zurückkommen, nach der Kapitalerträge wie Einkommen dem gleichen Steuersatz unterliegen. Der Antrag auf eine Reichensteuer fand bei den Delegierten keine Mehrheit.
Artukel: SPD / Rainer Vogt
Quelle: SPD